Wie die EZB den Bauzins beeinflusst – und wie nicht

Europäische Zentralbank

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat vor knapp einer Woche, am 07. September 2017, wieder getagt. Der Leitzins wurde bei 0,0 Prozent belassen und es wurde einmal mehr die Fortführung des Anleihenkaufprogramms bis mindestens Ende Dezember dieses Jahres erklärt. Die Entscheidungen der EZB wurden wieder mit Spannung erwartet, haben sie doch Marktrelevanz. Doch welche Auswirkungen genau hat die EZB-Geldpolitik auf das Zinsniveau für das Baugeld?

Hat der EZB-Leitzins einen direkten Einfluss auf den Bauzins?
Nein, der von der EZB festgelegte Leitzins hat keinen direkten Einfluss auf den Bauzins. Mit dem Leitzins steuert die Zentralbank den Preis, den Banken zahlen müssen, um sich Geld bei der Zentralbank zu leihen oder kurzfristig anzulegen. Dieser Zins gilt jedoch nur für kurzfristige Kredite von in der Regel einer Woche, die auf dem Geldmarkt gehandelt werden. Für Baufinanzierungen sind aber vor allem die Konditionen langfristiger Anleihen auf dem Kapitalmarkt von Bedeutung.

Zinsverlauf von Leitzins, Bundesanleihen und Bauzins

Woran orientiert sich der Marktzins für Immobiliendarlehen?
Der Marktzins für Immobilienkredite orientiert sich an den Renditen für langfristige Anleihen wie Pfandbriefe, nicht am Leitzins, der die kurzfristigen Zinsen beeinflusst. Daneben spielen weitere Faktoren eine Rolle, wie Refinanzierungs- und Risikokosten, die Ertragslage der Kreditgeber, die Wettbewerbssituation zwischen den Banken, die Darlehensausstattung und die Kreditwürdigkeit des Antragstellers. Die Pfandbriefkonditionen stehen in einem engen Zusammenhang mit den Konditionen von Staatsanleihen. Somit hängt die Entwicklung von Pfandbriefen und Staatsanleihen direkt zusammen, wonach sich wiederum der Marktzins für Immobilienkredite richtet.

Warum sind langfristige Anleihen für Baufinanzierungen von Bedeutung?
Da Baufinanzierungen in der Regel über einen langen Zeitraum abgeschlossen werden, große Volumen haben und Banken nicht nur auf ihre eigenen Kundeneinlagen zurückgreifen können, müssen sich die Banken darüber hinaus fremdfinanzieren. Das kann entweder über den Geldmarkt (Anlagen mit kurzfristiger Zinsbindung) oder über den Kapitalmarkt (Anlagen mit langfristiger Zinsbindung) geschehen.

Die EZB stellt jedoch nicht unbegrenzt Geld zur Verfügung. Zudem bieten langfristige Anleihen wie Pfandbriefe oder Staatsanleihen auf dem Kapitalmarkt mehr Sicherheit. Die Bank, die eine Immobilie finanziert, gibt einen Pfandbrief heraus, mit dem sie eine Immobilie beleiht, erhält dafür Geld und zahlt dem Anleger wiederum Zinsen. Günstige Refinanzierungskosten gibt sie in Form von günstigen Baukrediten weiter.

Inwiefern wirkt sich die EZB-Zinspolitik dennoch auf den Bauzins aus?
Hebt die EZB den Leitzins an, steigen mit Nachlauf auch die Zinsen für Anlagen mit kurzfristiger Zinsbindung, also Zinsen für Tagesgelder oder Festgelder. Durch die steigenden Zinsen kämen mehr Anleger an den Geldmarkt, sodass die Nachfrage nach Anlagen mit langen Zinsbindungen sinken würde. Die zurückgehende Nachfrage würde wiederum deren Rendite steigen lassen, da sich der Zins unter anderem danach richtet, zu welchem Preis Anleger bereit sind, Anlagen zu erwerben. Letztlich stiege auch der Bauzins, da dieser sich nach den Pfandbriefen beziehungsweise den Staatsanleihen richtet.

Momentan beeinflusst abgesehen vom niedrigen Leitzinssatz vor allem das Anleihenkaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) das traditionelle Zusammenspiel zwischen Geld- und Kapitalmarkt. Dadurch, dass die Europäische Zentralbank (EZB) Staatsanleihen in großem Umfang erwirbt, werden die langfristigen Zinsen für diese Wertpapiere gezielt niedrig gehalten. Somit sind auch die Konditionen für Baukredite günstig. Es ist aber nicht nur die EZB-Geldpolitik, die die Kapitalmarktrenditen bestimmt. Sind geopolitische Risiken hoch, flüchten sich Anleger in den „sicheren Hafen“, also in Staatsanleihen mit einer guten Bonität, die als besonders sicher gegenüber Ausfällen gelten.

Welche Bedeutung haben die Erwartungen von Marktteilnehmern an die EZB-Politik für die Zinsen?
Die Entwicklung der Rendite der Staatsanleihen gibt die Richtung für die Rendite der Baufinanzierung vor. Erwarten Marktteilnehmer zum Beispiel steigende Zinsen am Geldmarkt, dann wandern sie vom Kapitalmarkt zum Geldmarkt ab, was wiederum die Nachfrage nach Staatsanleihen sinken und deren Rendite steigen lässt. In der Regel lösen daher bereits die Erwartungen der Marktteilnehmer oder die Ankündigung von Maßnahmen Bewegungen aus, bevor die EZB überhaupt am Leitzins Veränderungen vornimmt oder das Anleihenkaufprogramm verändert.

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